Die Legende
von
Cornbrant ap Midbar



Prolog

Das Wappen von Midbar

Der Kleinerbe

Isostar ap Linth

Der Großfürst

Dolomit Tren Keer

CARADURS FEUERGANG

Brinnentrutz

Stiftenbrants Tod

Das Banner von Turgenien

Die Glatte Ebene

Arynmon

Auf "Großer Fahrt"

Lure Ogertod

Operation Wildschwein




Index

Stammbaum

Zeittafeln



"Die Legende von Cornbrant ap Midbar" und die darin geschilderten fiktiven Personen, Orte und Begebenheiten sind mein geistiges Eigentum, sofern es sich dabei nicht um Begriffe aus dem kollektiven Unterbewusstsein der Menschheit, ihrem reichen Kulturschatz oder gar der Unterhaltungsindustrie handelt. Besonders auf solche letzterer Provenienz erhebe ich selbstredend keinerlei Ansprüche, gell?

Hamburg, 2008

 
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  Cornbrant ap Midbar

Abschnitt I – Worin olle Kamellen zum Besten gegeben werden

Cornbrant ap Midbar"Jenseits der Rechtsberge, da wo der Wind durch die Einöde fegt, sich mit dem Regen um die letzten Krumen fruchtbarer Erde streitet, um der Sonne nur nackten Boden zum Fraße zu lassen, da zogen früher, vor vielen vielen Jahren, große Herden satter Schafe über fette Weiden. Caragon ward diese Gegend genannt, und sie hatte ihren Namen von Königin Caradur, die als erste ins Land gekommen war, als finstere Wälder es noch bedeckten, worin wildes Getier hauste und böse Wesen. Die Königin gewann Caragon den Menschen und machte es urbar. Sie war unser aller Stamm-Mutter."

Zwölf mal hatte Cornbrant die Geschichte bisher gehört, zwölf mal hatte er schon an dem Ritual teilgenommen, mit dem alljährlich zur Sommersonnenwende die alte Rosadur in der großen Halle von Brantenburg die Erinnerung an früheste Zeiten wachzuhalten versuchte.
"Caradur war eine große Königin. Viele Männer, Frauen und Kinder folgten ihr ins Land am Fuß der Rechtsberge und ihre Herden zählten 7000 Tiere. Doch wie diese Menschen nur spärliches Gras im Schatten mächtiger Bäume fanden, statt reicher Weiden, begannen sie zu murren: ,Soll dies unsere neue Heimat sein? Hier werden wir Hungers sterben, wenn nicht die wilden Tiere des Waldes uns zuvor zerreißen!'
Als Caradur dies vernahm, wurde sie sehr zornig, denn der Gehörnte selbst hatte ihr den Weg gewiesen: ,Habt ihr vergessen, woher wir gekommen sind, und warum? Ich zwang euch nicht, mir zu folgen, und ich führte euch fort von Gefahr und Tod. Wenn ihr mir nun aber kein Vertrauen mehr schenken wollt, so wird der Sonnenbock euch ein Zeichen geben!'
Bei diesen Worten erschauerte das Volk, denn sie konnten nur eines bedeuten: Caradur würde den Feuergang wagen!

Am Abend des folgenden Tages bei Sonnenuntergang trat Caradur durch eine schmale Lücke in den von einem Wall aus ölgetränktem Holz umschlossenen Opferplatz und wartete auf ihren Gegner. Sie war nackt und bis auf ein Messer unbewaffnet. Alles Volk hatte sich versammelt, im Fackelschein erstarb das letzte Licht des Tages und mit ihm der Lärm der Menge. Atemlose Stille herrschte.
Da ertönte das große Horn, sein Klang vermischte sich mit dem Schrei aus vielen hundert Kehlen, und hochauf loderten die Flammen, als der Ringwall in Brand gesetzt wurde. Und dann kam er: Durch eine zweite Lücke, die sofort geschlossen wurde, trieb man einen riesenhaften Widder in den Feuerkreis, der brennende Fackeln an den Hörnern trug. Das Tier raste vor Wut und Angst, es ahnte die rettende Öffnung in Caradurs Rücken, es griff an.
Niemand sah, was sich im Inneren des Lohenkranzes abspielte. Hitzeflimmernde Luft und beißender Qualm verwehrten allen die Sicht. Und immer noch höher prasselte das Feuer, das seine volle Kraft erst jetzt entfaltete. Würde es der Königin gelingen, den Bock am Ausbruch zu hindern, und vermochte sie ihn niederzuwerfen? Denn nur mit dem Vlies des geopferten Tieres war es Caradur gestattet, den Feuerring zu verlassen. Die Menge war wieder verstummt, sie hatte dem Toben der Flammen nichts entgegenzusetzen. Wie lange konnte ein Mensch der Hitze und dem Rauch widerstehen? Die Zeit verrann, es dauerte schon zu lange.
Der Brand hatte seinen Höhepunkt erreicht, als plötzlich mit ungestümer Kraft der Herr der Weiden durch die Feuerwand brach. Gigantischer noch war er, als alle ihn zuvor gesehen hatten; das zottige Fell brannte lichterloh. Auf seinem Rücken aber, die glühenden Finger tief in den lockigen Nacken des Tieres gegraben, ritt flammenumhüllt Caradur, sonnenhell strahlten ihre Augen unter dem lodernden Haarschopf, und Feuerzungen schlugen aus ihrem Mund. In wildem Ritt jagte die Erscheinung durch die Menge, hinaus zu den Bäumen, zum Wald und verschwand im nachtschattenen Dunkel zwischen hohen Stämmen.
Und dann zeigte sich der Wille des Gehörnten! Weithin sichtbar sprang Feuer ins Geäst des finsteren Forstes, flammte es auf zwischen den Wurzeln: Die alles verzehrende Kraft des Sonnenbockes schürte den Brand, der Caradurs Volk Raum schuf und Platz für seine Herden und Höfe."

 

Abschnitt II – Worin kaum jemand zuhören mag

Cornbrant ap Midbar"Wundersam war dies, doch noch wundersameres trug sich zu: Am Morgen nach dem Feuergang fand sich im nunmehr erkalteten Aschering ein Lämmerpaar, Stirn an Stirn, die dünnen knotigen Beine fest in die rußige Erde gestemmt im Versuch, das Gegenüber aus der schwarzen Arena hinauszudrängen. Und obgleich keines der Tiere dem anderen an Wuchs überlegen war und sie sich glichen wie nur Zwillinge es tun, so war es doch die Jungzibbe, die das Brudertier schließlich fortstieß um den Platz für sich zu behaupten."

So vorhersagbar die Betonung noch der unbedeutendsten Silbe in Rosadurs Rezitation, so starr festgelegt war das Verhalten der Zuhörer, kaum dass die Greisin ihren Vortrag begonnen hatte: Lichterburg suchte Zuflucht in kontemplativer Maniküre, Achttüren versank in der Betrachtung des Schnitzwerks am Giebelbalken der Halle, Morigon übte sich im Ins-Leere-Starren, die Halbwüchsigen grinsten verstohlen und die Kinder schnitten Grimassen oder rutschten auf den Bänken herum, was ihnen nachlässige Ermahnungen von Seiten der Erwachsenen einbrachte.

"Dies nahm als Zeichen das Volk von Caragon, und als die Zeit gekommen war, wählte es Cerindur zu seiner neuen Führerin, die erstgenannte Tochter Caradurs. Und Cerindurs Zwillingsbruder Caradoc sprach: ,Recht tatet Ihr, aufrechtes Volk von Caragon, nach Bockeszeichen Euch zu richten. Nun folge mir, wer diese Weiden hinter sich will lassen, und finden neues Land.' So sprach Caradoc, Caradurs Sohn, und ihm folgten der dritte Teil der Menschen mit ihrem Vieh, das war eine Herde von 5.000 Tieren, den die Jahre in Caragon waren reich gewesen. Und Caradoc zog hin gegen die untergehende Sonne und hinauf zu den Inseln und ward Häuptling über ein großes Reich."

Soweit Cornbrant sich erinnern konnte, schienen Rosadurs Erzählungen für niemanden jemals hörenswert gewesen zu sein. Weder für den Lymanier Rhedruvin, der das allerdings taktvoll und gekonnt hinter gespielter Senilität verbarg, bis ihn die Altersdemenz dann wirklich einholte; noch für die Turgenierinnen, die doch sonst soviel auf Tradition gaben. Überhaupt niemand bis auf Sturtbrant, der als einziger in der ganzen Runde Rosadur wirklich zuzuhören schien – er hing förmlich an ihren Lippen und achtete dabei doch weniger auf die Erzählung als auf die Erzählerin.

Cornbrant wurde nicht alt genug, um zu erkennen, dass sein Großvater Zeit seines Lebens unsterblich in die große Widersacherin aus Brinnentrutz verliebt gewesen war.
Hingegen war es eine ganze Zeit so, dass ihm beim schieren Gedanken an Rosadurs bezaubernde Enkelin Moradur beinahe das Herz aus dem Hals sprang. Und da die Fürsten von Midbar schon seit jeher groß gewesen waren im Verbinden von Angenehmem und Nützlichem, war Cornbrants Plan, die Bibliotheken von Brinnentrutz aufzusuchen bzw. Urlaub zu machen, nur die halbe Wahrheit.up