Die Legende
von
Cornbrant ap Midbar



Prolog

Das Wappen von Midbar

Der Kleinerbe

Isostar ap Linth

Der Großfürst

Dolomit Tren Keer

Caradurs Feuergang

Brinnentrutz

Stiftenbrants Tod

Das Banner von Turgenien

Die Glatte Ebene

ARYNMON

Auf "Großer Fahrt"

Lure Ogertod

Operation Wildschwein




Index

Stammbaum

Zeittafeln



"Die Legende von Cornbrant ap Midbar" und die darin geschilderten fiktiven Personen, Orte und Begebenheiten sind mein geistiges Eigentum, sofern es sich dabei nicht um Begriffe aus dem kollektiven Unterbewusstsein der Menschheit, ihrem reichen Kulturschatz oder gar der Unterhaltungsindustrie handelt. Besonders auf solche letzterer Provenienz erhebe ich selbstredend keinerlei Ansprüche, gell?

Hamburg, 2008

 
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  Cornbrant ap Midbar

Abschnitt I – Worin Verhandlungen anberaumt werden

Cornbrant ap Midbar"Cornbrant!"
Aufgeregt gestikulierend stand Moradur am Fenster der Bibliothek und bedeutete ihm, nach oben zu kommen.
Doch sie war nicht allein. Im Sessel neben der gemauerten Feuerstelle saß Rosadur; schlohweißes aber noch volles Haar umrahmte ihr zerfurchtes Gesicht, und mitten darin: ein hellwaches Augenpaar, das Cornbrant musterte, als wäre er ein seltsames Tier, das grade unter einem Stein hervorgekrochen war.
"Cornbrant, Stiftenbrants Sohn und Herr von Brantenburg! Ich entbiete Euch meinen Gruß."
Eine alterheisere und dennoch kräftige Stimme.
"Ihr werdet verzeihen, dass ich mich nicht erhebe, aber das Alter ..."
Noch ehe Cornbrant Gelegenheit hatte, ihren herablassenden Gruß zu erwidern, erhob sich sich und schritt, alles andere als gebrechlich wirkend, zum Lesetisch herüber.
"Die Herrin von Caragon", fuhr die Alte fort – und es war sonnenklar, dass sie damit keinesfalls ihre Enkelin meinte –, "hat eine Botschaft erhalten, deren Inhalt auch für euch von großer Bedeutung ist, junger Cornbrant."
"Hör auf, den Großfürsten so abfällig zu behandeln, Großmutter!"
Rosadur strahlte: "O, habe ich es an der gebotenen Ehrfurcht fehlen lassen! Ich bitte um Entschuldigung, oft bin ich nicht mehr ganz bei mir. Verflixt, Enkelin! Wir haben dem Großfürsten ja gar nichts zu trinken angeboten!"
"Großmutter!"
"Du hast sicher recht. Es gibt wichtigeres, als uns in höfischen Gebräuchen zu üben."
Unvermittelt sank Rosadur in sich zusammen, tappte keuchend und stöhnend zu ihrem Sessel zurück und ließ sich schwer atmend hineinfallen. Dann räkelte sie sich behaglich und grinste Cornbrant boshaft an.

Cornbrant blickte ratlos zu Moradur, und es entging ihm nicht, dass diese vor ihm ein Lächeln zu verbergen trachtete. Also beschloss er, die Unverschämtheiten einfach zu ignorieren, und versuchte, seiner Stimme einen arroganten Klang zu verleihen: "Eine wichtige Botschaft, sagt Ihr? So berichtet denn!"
Moradur ergriff das Wort: "Die Ödland-Ritter haben Kontakt aufgenommen. Sie wollen verhandeln."
"Ah, gut. Gut für Caragon. Aber ...", und hier legte Cornbrant eine Pause ein und fixierte Rosadur. "... die Herrin von Caragon hat unmissverständlich klar gemacht, dass in dieser Angelegenheit keinerlei Einmischung seitens des Reiches gewünscht ist. Was also hat das Ganze mit mir zu tun?"
"Neben unseren Abgesandten und denen der Rebellen soll ein Vertreter des Reiches an den Verhandlungen teilnehmen."
"Hoher Besuch soll auf Brinnentrutz eingetroffen sein", warf Rosadur hämisch ein.
"Ihr meint, ich ...?"
"Die Rebellen sind gut informiert", fuhr Mordur fort. "Ihre Spione sitzen überall. Und da das Treffen bereits übermorgen stattfinden soll, können sie nur Euch gemeint haben."
"Was ist, wenn ich ablehne?"
"Eure Teilnahme ist Bedingung, andernfalls ziehen die Ödland-Ritter ihr Angebot zurück."

Potzblitz! dachte Cornbrant bei sich. Caragon ist auf mich angewiesen!
Was auch das extrem beleidigende Verhalten Rosadurs erklärte: Wahrscheinlich kochte sie vor Wut darüber, Bittstellerin beim Abkömmling des Usurpatoren Gautbrant zu sein.
Moradur hingegen ließ sich nichts anmerken. Hatte das etwas mit den Gefühlen zu tun, die sie ja vielleicht doch für ihn hegte?
Jedenfalls beschloss Cornbrant, die Situation zu nutzen.
Mit unbewegter Miene sagte er: "Nun gut, ich werde darüber nachdenken. Wie würde das ganze ablaufen?"
"Drei Vertreter jeder Partei treffen sich zur Stunde des Sonnenunterganges auf halber Strecke zwischen Muntgard ..."
"Cerinsburg", korrigierte Rosadur.
"... und Brinnentrutz. Ich selbst werde an den Verhandlungen teilnehmen, begleitet von zwei Leuten meiner Leibwache."
"Ihr selbst?! Und wenn es eine Falle ist?"
"Unwahrscheinlich. Wir müssen es jedenfalls darauf ankommen lassen."
"Wen schicken die Ödland-Ritter?"
"Den Unterkommandanten und ebenfalls zwei Bewaffnete."
"Nur einen Unterkommandanten?"
"Nicht einen. Den Unterkommandanten. So nennt sich ihr Anführer."
"Aha ..?"
"Ja, ich weiß. Das klingt etwas seltsam. Vermutlich wollen die Ödland-Ritter damit ihre Ablehnung uneingeschränkter Befehlsgewalt zum Ausdruck bringen."
"Die Rebellen behaupten, dass absolute Macht korrumpiere", fiel Rosadur ihrer Enkeltochter ins Wort. "Was meint Ihr, Großfürst, haben sie vielleicht recht?"
"Ich weiss es nicht, ehrwürdige Rosadur", gab Cornbrant gelassen zurück. "Oder ist es vielleicht das Streben nach uneingeschränkter Macht?"

 

Abschnitt II – Worin Caragon und Muntgard aufeinandertreffen

Cornbrant ap Midbar Cornbrant hatte nach seinen unbedacht geäußerten Worten einen Wutausbruch erwartet. Doch was stattdessen geschehn war, hatte ihn zutiefst schockiert: Für einen kurzen Moment war ihm eine Woge fast unvorstellbaren Hasses entgegengeschlagen, förmlich greifbar, wie eine Wand aus Feuer und Eis, ehe sich Rosadur wieder unter Kontrolle hatte.
Moradur hatte hierauf sofort das Wort ergriffen und eine Entscheidung gefordert, und Cornbrant erklärte sich mit dem Treffen einverstanden.

So kam es, dass der Großfürst von Midbar zwei Tage später im Licht der untergehenden Sonne die Ruinen von Arynmon erblickte, einer alten Festung aus der Zeit des Ersten Caragonischen Krieges. Scharf zeichneten sich ihre Umrisse gegen den blutenden Himmel ab, und in den verwüsteten Vorwerken flammte ein Signalfeuer auf.

Die Unterhändler der Ödlandritter trugen Masken. Ihr Anführer, der sich als Unterkommandant Pod vorstellte, bat Moradur und Cornbrant ohne Umschweife, ihm durch den halb eingestürzten Torbogen in den Innenhof der Burg zu folgen, dort wolle er seine Vermummung ablegen. Seine Eskorte und die bewaffneten Caragonier sollten außerhalb warten.
Doch der Herrin von Brinnentrutz wollte dieses Ansinnen ganz und gar nicht behagen.
Da sprach Pod: "Herrin Moradur, fürchtet keine Arglist, ich gebe Euch mein Wort als gewählter Anführer der freien Ödland-Ritter, dass euch kein Leid widerfahren wird."
Dann pfiff er gellend, und zwischen den Trümmern tauchten die Schatten von mindestens zwei Dutzend Gestalten auf.
"Wollte ich Euch in meine Gewalt bringen oder Euer Leben auslöschen, wäre dies längst geschehen."
Und als Moradur ihn nur wütend anstarrte fügte er mit einem Lächeln in der Stimme hinzu:
"Verzeiht, doch konnte ich nicht sicher sein, ob Caragon noch immer den alten Regeln und Gebräuchen folgt."
"Was schert ihr, die ihr euch nach den Gefolgsleuten des Verräters Munt nennt, um Regeln und Gebräuche!"
Verächtlich klang die Stimme der Fürstin.
"Doch, wir tun es", antwortete der Unterkommandant schlicht.

"Lasst uns hineingehen", sagte nun Cornbrant in beschwichtigendem Ton und wandte sich dem Tor zu.

 

Abschnitt III – Worin die Maske fällt

Cornbrant ap Midbar Vor den Trümmern des geschleiften Bergfrieds war ein Tisch aufgebaut, drei Stühle standen dabei. Ein Windlicht, ein Krug, drei Becher, eine Käseplatte, ein Brotkorb, ein Stapel Pergament nebst Schreibzeug rundeten das Bild ab: Arbeitsessen im engsten Kreis.
"Bitte setzt Euch!"
"Erst die Maske", entgegnete Moradur schroff.
"Selbstverständlich, wie Ihr wünscht."
Der Unterkommandant wandte sein Gesicht Cornbrant zu und entblößte mit einer raschen Handbewegung sein Antlitz.
Cornbrants Reaktion war bemerkenswert: sein Ausdruck wechselte zwischen Überraschung, Freude, Irritation, Misstrauen und Verständnislosigkeit – und das mehrmals und in unterschiedlicher Reihenfolge. Schließlich sagte er zögernd: "Hutsen?!"
Mit ausgebreiteten Armen machte er dann zwei Schritte auf den demaskierten Ödlandritter zu, stockte, liess die Arme sinken und blickte wie hilfesuchend zu Moradur: "Das ist Hutsen."
Unterkommandant Pod verneigte sich spöttisch: "Mein Gebieter!
"Ich überspringe jetzt einfach mal das 'Ihr kennt euch?'. Wer ist dieser Mann?!"
"Das ist Hutsen." Immer noch wirkte der Großfürst, als wüsste er nicht, ob er Männlein oder Weiblein sei.
"Ach wirklich!"
Der Sarkasmus in Moradurs Stimme schien von Cornbrant abzuperlen wie Wasser vom Gefieder einer Ente.
"Ja, sicher."
"Und wer ist Hutsen?"
Hier ergriff der Unterkommandant das Wort.
"Bitte, Moradur ap Caragon, lasst es mich erklären." Und dann zu Cornbrant: "Mit Eurer Erlaubnis, mein Großfürst?"
Cornbrant brachte ein schwaches Nicken zustande.
"Bitte nehmt Platz."
Und dann hub Unterkommandant Pod, der sich als ein Mann namens Hutsen entpuppt hatte, mit seiner Erzählung an.

 

Abschnitt IV – Worin Hutsen aus Kindertagen erzählt

Cornbrant ap Midbar "Wie Ihr wisst, ist Cornbrant der einzige Nachkomme des Stiftenbrant ap Midbar. Er verlor seinen Vater im zarten Alter von einem Jahr, zu jung, als dass er als neuer Herrscher hätte eingesetzt werden können. Stattdessen übernahm Sturtbrant die Regierungsgeschäfte, der Vater des ermorderten Großfürsten und selber vormals Träger der Herrschaftswürde.
Und um das Wohlergehen seines Enkels und somit das Fortbestehen des Hauses Brant zu sichern, traf der Regent gewisse Vorkehrungen und ergriff zuweilen recht drastische Maßnahmen.
Ich weiß nicht, ob du dich an deine Lebensmittelvergiftung erinnern kannst, Cornbrant? Du warst wohl etwa elf Jahre alt. Und dass danach in der Küche plötzlich ganz andere Leute arbeiteten?"
Cornbrant hatte seine Fassung inzwischen einigermaßen wiedererlangt.
"Ich habe mich immer gefragt, was aus dem alten Koch geworden ist."
Hutsen lächelte dünn. "Frag nicht."
"Und was habt Ihr mit dem Ganzen zu tun?" wollte Moradur nun endlich wissen.
"Ich war eine der Vorkehrungen! Ich war Cornbrants Leibwächter."
"Haha ..!", machte Cornbrant, aber Hutsens Blick erstickte sein Lachen.
"Es ist wahr, Tok. Weißt du noch? Ich war immer da. Wir haben sogar eine Zeit lang in der selben Kammer geschlafen."
"Du warst eben mein Kumpel, mein Freund. Wir sind alte Freunde! Wir ..."
"Ich war lediglich ein Angestellter deines Großvaters."
"Wir sind miteinander durchgebrannt und auf Fahrt gegangen!"
"Eine weitere Maßnahme. Eines Tages kam Sturtbrant zu mir. 'Sorg dafür, dass der künftige Großfürst etwas erlebt. Aber übertreibe es nicht!' sagte er."
Hutsen lachte.
"Ich habe Blut und Wasser geschwitzt während der Zeit, und ein-, zweimal ging es haarscharf aus. Aber danach war ich in etwa so vermögend wie der reichste Grundbesitzer in unserer Gegend."
"Und was machst du hier, du ... Angestellter meines Großvaters?"
"Ja, das wüsste ich jetzt auch endlich mal gerne."
"Nuuun ...", sagte Hutsen gedehnt. "Jetzt wird es politisch."
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